Gelebter Glaube als Basis für neue Kirchenstrukturen
von Pastoralreferent Wolfgang Weiser
Das tradierte Bild unserer Kirche in den Ortsteilen kennt den Pfarrer, der einem bestimmten Territorium, der Pfarre, vorsteht. Unterstützt durch ehren- und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat er die Aufgabe, Menschen im Glauben zusammenzuführen, Gemeinden aufzubauen und in unterschiedlichen Gruppierungen verschiedene Formen des Glauben-Lebens zu ermöglichen.
Die stark zurückgehende Zahl der Priester in den nächsten Jahren ist kein Geheimnis, aber auch andere Faktoren wie abnehmende Geldmittel, eine sich wandelnde gesellschaftliche Akzeptanz und auch immer weniger Engagierte machen hier eine Veränderung notwendig. Immer größere Zuständigkeitsgebiete können keine Lösung sein. Kirchenaufbau vom Kopf - vom Priester - her gedacht kommt also zwangsläufig an seine Grenzen. Der Bistumsprozess hat hier eine neue Vision entwickelt, wie kirchliches Leben in Zukunft gehen kann. Eigentlich ist dies aber gar kein neuer Ansatz, sondern nur die Wiederentdeckung des 'allgemeinen Priestertums', das alle getauften und gefirmten Christinnen und Christen innehaben:
Kirchenaufbau geschieht von unten nach oben.
Von den Menschen her gedacht
Neben vielen neuen inhaltlich-pastoralen Entwicklungen wird der Bistumsprozess von dem Gedanken getragen, den Aufbau der Kirche nicht vom besonderen Priestertum her zu entwickeln, sondern er geht von den Gläubigen aus: Menschen finden sich zusammen, weil sie in einer speziellen Art ihren Glauben leben wollen. Diese kleinen Gruppierungen nennt der Bistumsprozess 'Orte von Kirche'.
Hier kann Glaube sehr individuell und ohne vorgegebene Form konkret gemeinsam lebendig werden. Orte von Kirche sind in der Regel kleiner und spezieller als das, was wir bisher als 'Gemeinde' kennen.
'Orte von Kirche' – einladend und zukunftsorientiert
Die Orte gelebten Glaubens haben einen der klassischen kirchlichen Grundvollzüge als Schwerpunkt. Sie sind in gewisser Weise jeweils spezialisiert auf Verkündigung, Gottesdienst oder Nächstendienst (martyria, leiturgia, diakonia).
Ihnen ist gemeinsam, dass sie Evangelium und konkretes Leben der Menschen in Beziehung bringen wollen. Orte von Kirche können dies auch ohne Anleitung oder Führung einer ausgebildeten Seelsorgerin oder eines Seelsorgers, weil alle Gläubigen durch Taufe und Firmung (allgemeines Priestertum) hierzu befähigt und beauftragt sind. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass sie bei Bedarf bzw. auf Anforderung von pastoralen Fachleuten unterstützt werden können.
Den Orten gelebten Glaubens schreibt der Bistumsprozess verschiedene 'Charaktereigenschaften' zu, die diese als besonders einladend und zukunftsorientiert ausweisen: sie sind lebendig und wirksam, gemeinschaftlich und solidarisch, sie ermöglichen Engagement und Entwicklung.
Kirche – Netzwerk im Pastoralen Raum
In Bezug auf das Zusammenwirken der Orte von Kirche hat der Bistumsprozess das Bild des Netzwerks entwickelt. Miteinander in Beziehung und im Austausch bilden sie - so verschiedenartig sie auch sind - gemeinsam Kirche.
Im Zusammenwirken in einem bestimmten Territorium (Pastoraler Raum) können alle Formen kirchlichen Lebens ebenso wie alle kirchlichen Dienstleistungen sichergestellt werden. Zusätzlich entsteht Raum für neue, innovative Formen christlichen Glaubens. Kirche bildet sich so aus dem Netz der vielen Orte gelebten Glaubens. Hier wird es weiterhin Seelsorgerinnen und Seelsorger und kirchliche Dienstleistungen geben. Zugleich aber liegt eine große Verantwortung bei den Gläubigen, ihren Glauben gemeinsam in neuen Formen zu leben.
Auf-die-Füße-Stellen – Profilierung der Orte von Kirche
Zunächst gilt es, die vielen Orte gelebten Glaubens als solche zu entdecken und das Bewusstsein dafür zu schaffen. Eine Reflexion des eigenen Selbstverständnisses wird dann zu einer Profilierung führen, wobei der eigene inhaltliche Schwerpunkt deutlich und die Charaktereigenschaften im Sinne des Bistumsprozesses sichtbar werden. Zugleich wird jeder Ort von Kirche für sich erkennen, ob und inwiefern er zum Netzwerk des Pastoralen Raumes gehören möchte und was er hier einbringen kann. Nach Bestätigung der Zugehörigkeit zum Pastoralen Raum wird jeder Ort von Kirche – soweit die bisherigen Überlegungen des Bistumsprozesses – die Möglichkeit haben, an den vorhandenen Unterstützungsangeboten (ideell, finanziell, personell und räumlich) zu partizipieren. So soll sichergestellt werden, dass sie tatsächlich eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können.
In den nächsten Monaten werden die Verantwortlichen in unseren Gemeinden und Pfarreien die Profilierung der unterschiedlichen Orte gelebten Glaubens unterstützen. Zugleich können Gruppierungen, die eine Profilierung als Ort von Kirche anstreben, selber aktiv werden. Weitere Hinweise finden sich auf den Internetauftritten der drei GdG unter dem Stichwort 'Kirche-in-Dueren'.