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Eine jüdische Familie in Arnoldsweiler – Ein Aufruf gegen das Vergessen!Judenstern

Familie Schönfeld, das war eine jüdische Familie, fest verankert im Arnoldsweiler Dorfleben, Betreiber einer nicht koscheren Metzgerei in der Arnoldusstraße 15, wo die Arnoldsweiler ein und aus gingen.

Familie Schönfeld, das waren Vater Moritz (* 4.6.1886 in Arnoldsweiler) und Mutter Alma, geb. Stern (* 10.12.1889 in Großkrotzenburg), die am 15. Januar 1918 heirateten. Dazu kamen am 22.10.1918 Sohn Josef, am 28.7.1923 Sohn Heinz und am 20.7.1930 Sohn Arno. Eine ganz normale, fünfköpfige Familie. Außerdem wohnte im Haus noch Tante Berta          (* 2.7.1882 in Arnoldsweiler), die unverheiratete Schwester von Moritz.

Vater Moritz Schönfeld, der noch 10 Geschwister hatte und der jüngste war, übernahm nach dem Tod seines Vaters Josef 1911 die väterliche Metzgerei. Um diese Zeit hatte er auch sein linkes Bein durch einen Unfall verloren. Dennoch konnte er den Metzgerberuf ausüben.

Die Schönfelds mit ihren drei Söhnen waren keine strenggläubigen Juden. Sie aßen Schweinefleisch und verkauften dieses auch in ihrer Metzgerei. Vor allem Mutter Alma war sozial engagiert, sie kochte jeden Freitag für arme Arnoldsweiler Mitbürger ein Essen. Aber auch Moritz Schönfeld war in der Dorfgemeinschaft aktiv, er war Mitglied im Männergesangverein Arnoldus und regelmäßiger Gast in der Wirtschaft ‚En de Hött‘, die sich direkt an der Kirche befand. Ihre beiden Söhne Josef und Heinz gingen im Vorschulalter in die Kleinkinder-Bewahrschule im Kloster der Franziskanerinnen in der Ellener Straße. Ganz selbstverständlich nahmen die drei Kinder auch an den Martinszügen teil. Die Söhne gingen zur hiesigen Volksschule, Josef besuchte später das Realgymnasium in Düren. Nur am katholischen Religionsunterricht nahmen sie nicht teil, sie besuchten den jüdischen Unterricht in Düren.

Im Jahr 1933 war Josef mit der Schule fertig und wollte Bäcker werden, eine Lehrlingsstelle hatte er schon in Aussicht. Allerdings kam es anders, denn Hitlers Machtergreifung kam dazwischen. Josef ging nach Wiesbaden und begann eine Lehre als Koch, die er aber 1934 ebenfalls abbrechen musste. Er kehrte nach Arnoldsweiler zurück und arbeitete in der Metzgerei mit.

Heinz begann nach seinem Volksschulabschluss um 1937 eine Lehre als Schreiner bei den Gebr. Hinzen in der Ellener Straße.

Arnoldsweiler konnte nicht als Nazi-Hochburg gelten, die NSDAP kam bei der Reichstagswahl im November 1932 nur auf 3,1 %, im März 1933 stimmten 18 % für die NSDAP, im gesamten Reich lag der Anteil bei 43,9 %. Zudem predigte Ortspfarrer Johannes Dautzenberg bei jeder guten Gelegenheit gegen das Nazi-Regime, er wurde dann auch als Staatsfeind bezeichnet. Aber auch in Arnoldsweiler half dies alles nichts, 1937 wurde Moritz Schönfeld der Gewerbeschein entzogen und er musste für eine Woche ins Gefängnis. Am 10. November 1938 wurde sein Geschäft von einem auswärtigen SA-Trupp unter Beteiligung von vier Nazis aus Arnoldsweiler verwüstet, anschließend arbeitete er trotz seiner Behinderung in einem Steinmetzbetrieb in Rölsdorf. Dies reichte für den täglichen Bedarf nicht aus, die Familie musste sämtliches Hab und Gut verkaufen.

Aber es kam noch schlimmer, denn am gleichen Tag wurde der älteste Sohn Josef in Schutzhaft genommen und in das KZ Buchenwald deportiert. Nach 2 Monaten wurde er entlassen und kehrte abgemagert nach Arnoldsweiler zurück. Aufgrund der Bürgschaft einer Tante gelang es Josef Schönfeld 1939 aus Deutschland in die USA auszuwandern, wo er den Namen Joe Allan Shone annahm. Damit rettete er sich das Leben. Auch der Rest der Familie hätte diese Möglichkeit gehabt, wenn Vater Moritz nicht in dem Glauben abgelehnt hätte, dass Hitler und sein Regime nicht mehr lange an der Macht bleiben würden. Dieser Gedanke wurde der Familie zum Verhängnis.

So kam es, wie es Millionen von anderen Juden auch wiederfuhr: Moritz und Alma Schönfeld wurden zwischen März und Juli 1942 mit ihrem erst 10-jährigen Sohn Arno und der auch im Haus wohnenden Tante Berta in das Ghetto Izbica bei Lublin deportiert, wo sich die Spuren aller vier verlieren. Entweder sie verhungerten dort, oder wurden auf welche Art auch immer ermordet. Der mittlere Sohn Heinz war vermutlich seit März 1941 Zwangsarbeiter in der Kali-Chemie in Stolberg-Atsch, von wo er 1942 in den Osten deportiert und ermordet wurde.

Die beiden einzigen überlebenden Arnoldsweiler Juden waren Josef, der zunächst in New York und später in Port Richey in Florida als Joe Allan Shone lebte und die Schwester seines Vaters, Tante Adele (* 24.5.1875 in Arnoldsweiler), die 1918 den evangelischen Molkereibesitzer Heinrich Kollmann heiratete (das Haus befand sich an der Stelle der heutigen Arnoldus-Apotheke). Ihr Mann Heinrich wurde mehrfach verprügelt und genötigt sich von seiner Frau scheiden zu lassen, was er nicht machte und dadurch Adele das Leben rettete. Heinrich Kollmann hinkte seitdem bis an sein Lebensende. Adele Kollmann starb am 3.1.1954 in Arnoldsweiler, sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Düren beerdigt.

Josef bzw. Joe hatte seine beiden Eltern und seine beiden Brüder verloren. Davon erfuhr er aber erst 1946 oder 1947 durch ein Schreiben von Pfr. Dautzenberg. Er heiratete 1948 die ebenfalls aus Deutschland emigrierte Irma Stern (* 1920), mit der er einen Sohn hatte. Bis zu seinem Ruhestand 1980 arbeitete der als Koch. Er besuchte noch 3 oder 4 mal seinen Heimatort Arnoldsweiler, wo ihn beim letzten Besuch aber keiner mehr erkannt hat. Er starb am 22.8.1997 in Florida.

2020 besuchten die beiden Enkel von Josef Schönfeld bzw. Joe A. Shone Arnoldsweiler und Düren, wo sie den Spuren ihrer Vorfahren nachgingen. Zum Glück steht das Geburtshaus ihres Opas noch, es ist das alte Fachwerkhaus an der Kirche und auch das Haus der Metzgerei und Wohnhaus der Familie, direkt links neben Machereys Hof.  

Heute lebt in Arnoldsweiler keine einzige jüdische Familie mehr, das öffentliche jüdische Leben in Düren ist ebenso ausgelöscht. Leider erinnert in Arnoldsweiler immer noch nichts an Familie Schönfeld und ihr Schicksal, kein einziger Stolperstein wurde bisher verlegt, am Kriegerdenkmal und auch in der Gedächtniskapelle in der Arnolduskapelle tauchen ihre Namen selbst 2021 immer noch nicht auf.

K. Inden

Quellen:

  • Wyrsch (1997): Von Abraham Fromm zu Josef Schönfeld. Zwei jüdische Familien in Arnoldsweiler seit 1800 bis zum Holocaust, in: Dürener Geschichtsblätter Nr. 84, Düren 1997, S. 467 ff.
  • Arnolds (2015): Arnold von Arnoldsweiler, Köln 2015, S. 288 f.